Dieses Jahr habe ich zehnjähriges Pantanaljubiläum. 2009 kam ich zum ersten Mal auf die Farm. Meine erste Fahrt hierhin dauerte ewig, weil ich bei jedem Kaiman und Wasserschwein das neben der Straße unterwegs war ausrastete und vor Aufregung verwackelte Bilder schoss. Nichts ahnend was mich für ein unfassbares Tierparadies erwartete.
Vielleicht sind lieb oder nur so mittel lieb gewonnene Traditionen und alte Bekannte wegen meines Jubiläums ja der rote Handlungsfaden, der sich durch meine diesjährige Brasilienreise zu ziehen scheint. Zuletzt: Das feucht gewordene Handy. Mal wieder, eine regelmäßige Bewässerung gehört ja zu meinem alltäglichen Mobiltelefongebrauch seit eh und je dazu. Dabei fällt auf: Ob es nun im Klo in Deutschland oder im Fluss in Brasilien landet- das Ergebnis ist das gleiche: Es liegt funktionsuntüchtig im Reis und ich hoffe verzagt auf Genesung. Bisher sieht es nicht sehr gut aus. In weiser Voraussicht hatte ich aber in Köln schon ein neues Telefon eingepackt, denn das Pantanal ist auch wenn man sich nicht so dämlich anstellt wie ich, gnadenlos gegenüber technischen Geräten. Also immer Backup einpacken. Im neuen Handy hatte ich die Apps schon vorinstalliert- ich weiß ja um das Schneckeninternetz hier im Sumpf. Allerdings hatte ich sie dooferweise nicht aktiviert und jetzt wollen alle aktualisiert werden, was ich natürlich nicht kann. Nun denn, ich kann auch ohne Instagram und Co. überleben. Die Nerven habe ich ein bisschen verloren als mir auffiel, dass auch meine Musikbibiothek nicht runtergeladen ist und auch die anderen Musikdateien weg sind. Shit. Ohne meine Musik gehe ich jämmerlich ein!
Am Ende ist es jetzt aber auch ein bisschen lustig: Habe alte Musikdateien auf einer pleistozänen Festplatte gefunden und groove nun im Retroflash über die Farm.
Passt ja auch irgendwie wieder thematisch zum Jubiläumsjahr. Dadurch schon einige lang vernachlässigte Musik-Diamanten wieder ausgegraben, das Album „In Echt“ von den Sternen läuft auf Repeat. Die Zeile „Hallo Lexikon, erklär mir wie das funktioniert“ passt dabei am ehesten auf mein WhatsApp Problem: Um WhatsApp zu aktivieren muss man einen Code eingeben den man per SMS zugeschickt bekommt. Telefonempfang hat man hier im Busch natürlich nicht, abgesehen von einem fest installierten Telefon das mit riesiger Antenne verbunden ist und mit einer SIM Karte betrieben wird. Theoretisch könnte ich dort also meine SIM-Karte reinstecken und die besagte SMS empfangen. Das Telefon hängt hinter dem Grillhaus im Garten von Corinne und ich erreiche es nachdem ich mich durch eine riesige Peccarieherde gearbeitet habe. Neugierig beäugen mich einige Pferde als ich versuche meine SIM mit der Welt zu verbinden. Leider will das Telefon meine Karte nicht. Corinne empfiehlt alternativ früh morgens auf den Antennenmast zu klettern und das Handy in der Luft zu schwenken. Um diese Zeit weht wohl manchmal etwas Signal an. Man munkelt außerdem, dass Suelen noch ein altes Handy hat, das man an eine Antenne in der Futterkammer anschließen kann und wenn man es oft an und aus macht, bekommt man manchmal Nachrichten. Bevor es soweit kommt treffe ich heute während wir mit dem Boot Jaguare suchen, aber zufällig Lauro, den Automechaniker aus Campo Grande, angelnd im Nirgendwo am Fluss. Leicht absurde Begegnung- da fährt man 40 Minuten durch einsame Flussschlingen über deren sandige Ufer knorrige Bäume ihre Luftwurzeln baumeln lassen, vorbei an Reihern, Scherenschnäbeln, Wasserschweinen, Ottern und dann eben auch Automechanikern. Er hatte das Team von Jaguarforschern auf die Nachbarfarm gebracht und sitzt jetzt friedlich mit seiner Angel auf einer Sandbank. Praktisch, denn jetzt kann ich ihm die SIM-Karte mitgeben, er kann sie in der Stadt in sein Telefon stecken und mir den Code per Internet schicken. Zumindest theoretisch sollte das gehen. Witzigerweise hatte ich diese Lösung so ungefähr letzte Nacht erträumt.
Meine Erreichbarkeitssituation ist bis Lauro den Sumpf verlässt jedenfalls prekärer als sie ohnehin schon war. Denn abgesehen von meinem ganz privaten Telefonfasching glänzt das Internet meistens durch Abwesenheit und tropft nur manchmal in kleinen Portionen durch einen mysteriösen Propfen. Wer und was und wo dieser besagte Pfropfen ist, der das Internet verstopft, konnten wir noch nicht ausmachen. Vielleicht wieder, ebenfalls traditionsbewusst, eine Vogelspinne die irgendwo im System wohnt. Das hatten wir ja alles schon.
Kommentar schreiben
Falk (Freitag, 19 Juli 2019 12:06)
Ist die
WhatsApp-Code-SMS denn mittlerweile doch angekommen...? ��
Lydia (Freitag, 19 Juli 2019 14:57)
Nein. Der Automechaniker ist wohl besser mit Autos als mit Handys. Jetzt reist die SIM voraussichtlich an meine Freundin Manu. Vielleicht klappt's dann. Die kommt aber erst Montag aus dem Sumpf. Gut Ding will Weile haben... Das Pantanal lehrt einen Geduld.
Vermutlich eröffnet meine SIM-Karte bald einen eigenen Reiseblog. Und Instagram Profil mit Selfies vor Sehenswürdigkeiten die ich noch nie besucht habe. Und ich kann ihr dann nicht mal Drohnachrichten per WhatsApp schicken! Leicht hypothetisch, aber mein Puls geht beim bloßen Gedanken schon hoch!